von Hinrich Wulf
Das Richten von Fohlen- und Jugendklassen verlangt vom Richter außer einem ausgesprochen sicheren Blick für Qualität - das gilt natürlich auch für die anderen Klassen - weit mehr. Die verschiedenen Entwicklungsstufen der jugendlichen Probanten stellt den Richter nicht immer vor eine leichte Aufgabe. Doch sollte ein guter Richter sehr wohl ein sechs Wochen altes Fohlen mit einem Fohlen von vier Monaten vergleichen können. Leider sieht man häufig, dass ältere Fohlen trotz weniger Qualität im Ring bevorzugt werden. Die Begründung im Kommentar des Richters ist dann häufig der schon bessere Entwicklungsstand des älteren Fohlens. Mit einer solchen Argumentation kann man nicht zufrieden sein, wenn das jüngere Fohlen deutlich das bessere Entwicklungspotenzial besitzt. Dasselbe gilt natürlich auch für Ein- und Zweijährige, die zusammen in einer Klasse bewertet werden, und auch für Dreijährige in Klassen mit deutlich älteren Ponys oder Cobs. Der Kommentar in einer solchen Stutenklasse “Man hätte den mütterlichen Typ (sechsjährige Stute) dem sportlichen Typ (dreijährige Stute) vorgezogen” zeigt deutlich die Problematik in solchen Klassen. Um hier die bessere, jüngere Stute an die Spitze zu stellen, bedarf es natürlich der genauen Kenntnis der einzelnen Entwicklungsstufen jeder Rasse und Sektion. Uns allen sollte klar sein, dass eine dreijährige Stute weniger mütterlichen Ausdruck hat als eine sehr viel ältere Stute. Dieses muss aber vom guten Richter in die richtige Relation gebracht werden.
Besonders die Fohlenklassen verlangen meines Erachtens einen ausgesprochen kompetenten Richter. Die Qualität eines Fohlens zu erkennen, erfordert - neben einem angeborenen Blick hierfür - viel Übung und Kenntnis der Materie. Bedenken sollte man, dass auch der beste Pferdekenner sich einmal irren kann und ein hoch gelobtes Fohlen sich später anders entwickelt als erwartet. Hier ein sicheres Urteil abzugeben, ist für den Züchter - bei nötiger Kompetenz - sehr viel leichter, weil er bei alten Stutenstämmen und guter Kenntnis der Vatertiere den Typ und die Qualität der Nachkommen natürlich besser einzuschätzen weiß. Der Richter hat nur die Möglichkeit der Momentaufnahme und hierbei zeigt das Fohlen dem sachverständigen Richter den Typ des ausgewachsenen Pferdes. Natürlich wirkt das Fohlen, vor allem bei anfangs steiler Fesselung, hochbeiniger als das erwachsene Pferd. Der Widerrist ist trotz guter Länge der Dornfortsätze wenig ausgeprägt; er hebt sich aber bei zunehmender Straffung der Bänder des Aufhängeapparates. Dadurch wirkt das Fohlen häufig überbaut. Die Breite ist von hinten an der Breite des Beckens zu beurteilen. Magere Fohlen erscheinen in der Brust schmal. Auffallend geringe Flankentiefe und Flachrippigkeit sind als wohl bleibende Fehler zu sehen. Die Gliedmaßen des Fohlens zeigen ein gutes Bild des ausgewachsenen Pferdes. Angedrückte Ellenbogen, schwache Gelenke und ein Fundament, dessen Stärke besonders im Vordermittelfuß nicht im richtigen Verhältnis zum gesamten Körperbau steht, sind oft bleibende Fehler. Steile oder durchtrittige Fesseln bessern sich meistens von alleine und zeigen nach einigen Wochen eine normale Stellung. Immer wieder sieht man auch schon in den Fohlenklassen die Tendenz, dass der größte “Aufspieler” (Spitzentraber) siegen muss. Ein fataler Fehler, wenn oben genannte Dinge nicht beachtet werden. Wir müssen konzentriert die altersmäßig zu erwartende Qualität miteinander vergleichen, und das führt eben auch einmal zu einem Ergebnis, das nicht den tollsten Traber siegen lässt. Dieses lässt sich für alle Altersstufen in den verschiedenen Klassen übertragen.
Bei den ein- und zweijährigen Ponys und Cobs gibt es ähnliche Schwierigkeiten wie in den Fohlenklassen. Auch hier müssen häufig Jüngere (Einjährige) mit Älteren (Zweijährigen) verglichen werden. Hierbei ist nun die eingangs erwähnte Kenntnis der einzelnen Entwicklungsstufen der Ponys und Cobs vom Richter gefordert, um zu einem gerechten Urteil kommen zu können. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich auf einen der schlimmsten Fehler beim Vorstellen von Jungtieren hinweisen: Es ist die Unsitte vom “Wegfüttern der Fehler”. Der Züchter erhofft damit, seinem Youngster einen Vorteil im Erscheinungsbild zu geben und das Pony damit fertiger aussehen zu lassen. Für mich sind diese Ponys oder Cobs nur fett und werden über massiges Aussehen bei fehlender Qualität bei mir niemals vordere Plätze erreichen. Denken Sie nur einmal daran, wie sich diese Haltungsfehler zum Beispiel auf die Gelenke auswirken können. Der verantwortungsvolle Richter wird immer dieser Unsitte durch sein konsequentes Urteil entgegenwirken. Sehr wohl weiß ich, dass häufig in Holland und in England und auch bei internationalen Schauen Tiere in Mastkondition vorgestellt werden - eine Entwicklung, die wir nicht mitmachen sollten. Des Weiteren werden immer noch Tasthaare rasiert, Augen geschminkt und brennende Feuerzeuge beim Aufstellen vor dem Richter unter den Kopf der armen Kreatur gehalten. Lassen Sie uns bei Extremen dieser oder ähnlicher Art richtig reagieren und diese Aussteller konsequent aus dem Wettbewerb nehmen.
Zurück zu den Jugendklassen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen. Von Ausstellern höre ich häufig, dass sie mit Einjährigen nicht mehr zur Schau kämen, weil doch immer schon weiterentwickelte Zweijährige siegen würden. Dieser Meinung sollten wir entgegenwirken, indem wir die eingangs erwähnten Entwicklungsstufen in das richtige Verhältnis zur Qualität des jeweiligen Ponys oder Cobs setzen. Ein guter Jährling in normalem Futterzustand (Das heißt: Viel Weidegang und viel Raufutter, damit er in Breite und Tiefe wachsen kann.) wird immer fohlenhafter wirken als ein doppelt so altes Tier- und bitte vergessen Sie nie, dass wir eine spätreife Rasse züchten. Mit Sicherheit wird der gute Zuchtrichter alles dieses - soweit es bei der kurzen Vorstellung im Ring möglich ist - in das richtige Verhältnis setzen und zu einem gerechten Urteil gelangen.
Außerdem sei festgestellt, dass schon immer der Einfluss und das Urteil des Züchters maßgebend in der Zucht war. Er bewertet Harmonie, Typ, Temperament, Leistungsbereitschaft, Milchleistung der Stuten und andere für die Zucht wertvolle Eigenschaften höher als das sogenannte “fehlerfreie” Durchschnittsprodukt. Es sollte also bei der Beurteilung durch den Richter immer der Verwendungszweck des jeweiligen Ponys oder Cobs im Vordergrund stehen. Der Richter muss erkennen, ob er das für den Gebrauchszweck geeignete Produkt vor sich hat oder nicht. Nur eine solche Gesamtbeurteilung ermöglicht die Feststellung, wie weit Abweichungen von dem sogenannten “Idealtyp” im Gesamtkörperbau ausgeglichen werden oder ob sie als Fehler zu betrachten sind. Abschließend sei festgestellt, dass ein Richter kein “Fehlersucher” ist, sondern genau wie der Beschicker einer Schau sich an schönen Ponys und Cobs erfreut. Er sollte dieses allerdings auch in seinen Kommentaren zum Ausdruck bringen.
Die sechs Bildbeispiele zeigen sehr klar die Entwicklungsstufen einer Stute der Sektion B. Das zuerst recht hochbeinig wirkende Fohlen, dann mit drei Monaten schon ein wenig mehr das Langrechteck-Format. Als Jährling dann noch wenig Tiefe zeigend, die bei nötiger Veranlagung sich in den nächsten Jahren deutlicher entwickelt und bei der nunmehr fünfjährigen Stute klar den mütterlichen Typ mit mehr Tiefe zeigt.