Ein Rückblick von Hinrich Wulf
Der Stall Moorkieker blickte im Jahr 2006 auf eine 40-jährige Zuchtgeschichte zurück. Sicherlich ist dieses in der Zucht eine relativ kurze Zeitspanne, doch im Rückblick auf diese vier Jahrzehnte war es für mich eine lange Zeit vieler schöner Erlebnisse.
In diesem Zeitraum hat sich außerordentlich vieles für uns Welsh-Züchter in Deutschland geändert. Vor allem in der Welsh-B-Zucht hat der enorme Aufschwung der deutschen Reitpony-Zucht und dem damit verbundenen Überangebot dazu geführt, dass B-Ponys kaum noch kostendeckend gezüchtet werden können. Entsprechend ist die Population - gerade der Welsh-B-Ponys - deutlich zurückgegangen. Übrig geblieben sind meines Erachtens Züchter, die über viel Idealismus verfügen und eine große Passion für die - wie die Waliser behaupten - schönsten Ponys der Welt entwickelt haben. In Deutschland sind wir - Gott sei Dank - bemüht, nicht nur das schöne Schau-Pony, sondern gleichzeitig das leistungsfähige Pony für den Verwendungszweck zu züchten. Nur so können wir - bei aller Schönheit unserer Ponys - dem späteren Benutzer ein leistungsstarkes, gutwilliges und vor allem leichtfuttriges Pony anbieten, eben mit den Vorzügen, die ein gutes Welsh-Pony hat. Lassen Sie mich ein Wort zum leichtfuttrigen Pony sagen: Gerade in einer Zeit des knappen Geldes ist es für viele von entscheidender Wichtigkeit, die laufenden Kosten für ein Pony in Grenzen zu halten. Weil die Welsh-Ponys in der Regel genügsam sind, sehe ich gerade hierin die großen Chancen für eine auf sehr gute Qualität ausgerichtete Welsh-Zucht in der Zukunft. Wir sollten diese Chancen nutzen, denn unter Kosten-Gesichtspunkten und nötiger Robustheit sind die Welsh-Ponys den Reitponys deutlich überlegen. Wer kauft schon gerne zentnerweise Kraftfutter, wenn es nicht nötig ist?
Lassen Sie mich auf meine Anfänge vor 40 Jahren in Weser-Ems zurückkommen: Mit großer Begeisterung sah ich die ersten Schauen in Holland und später auch Stutenschauen und Körungen in Weser-Ems. Als Dr. Schön damals Zuchtleiter in Weser-Ems wurde, organisierte der Zuchtverband unter seiner Leitung schon sehr früh Welsh-Schauen. Wir hatten das große Glück in Dr. Schön einen Zuchtleiter zu haben, der sich außerordentlich für die Welsh-Ponys begeisterte. Dieses führte zu einem - im Verhältnis zu anderen Verbänden - enormen Aufschwung der Welsh-Zucht in Weser-Ems. Schon nach einigen Jahren waren in diesem Zuchtgebiet über 1000 Welsh-Ponys registriert. Bei der 5. Zentralstutenschau in Oldenburg/Bümmerstede 1975 musste sich zum Beispiel unsere zweijährige Stute “Moorkieker Moorfee” (V.: Coed Coch Gawain, M.: Foist Snowdrop) 12 Konkurrentinnen in ihrer Klasse stellen. Sie wurde Klassensiegerin und beste selbstgezogene Stute. Unsere ältere Stute “Coed Coch Emma” (V.: Coed Coch Berwynfa, M.: Coed Coch Gwenda) musste immerhin 45 Konkurrentinnen hinter sich lassen, als sie Verbandssiegerstute wurde. Auch die Körung im Oktober 1976 in Cloppenburg war mit 36 Welsh-A-Hengsten und 57 Welsh-B-Hengsten gut besucht. Derartige Teilnehmerzahlen sind bei den Welsh-Ponys heute kaum noch vorstellbar.
Bereits vor dieser Zeit hatten meine Frau und ich schon Tausende von Kilometern in England und Wales zurückgelegt, viele Schauen und Gestüte besucht und unvergessliche Erlebnisse mit nach Hause gebracht. Wir hatten in den Anfangsjahren unserer Zucht das Glück, durch diese Reisen viele Lehrstunden in Sachen “Welsh” erleben zu können. Die deutschen Welsh-B-Züchter suchten damals vor allem das B-Pony am Endmaß - für die Zucht, wie wir wissen, kontraproduktiv, denn häufig geht der Rassetyp verloren. Die Waliser freuten sich über diesen Trend und verkauften gerne vor allem übergroße Welsh-Bs nach Deutschland. Sie wussten sehr genau, dass Qualität, Rassetyp und die nötige Substanz für die Zucht wichtiger waren als der letzte Zentimeter an Größe. Dieses lernte ich sehr schnell bei den mehrfachen Besuchen in England und Wales bei Lady Seton (Baylaurel-Gestüt), Mrs. Crisp (Kirby Cane-Gestüt), Lady Margaret Myddelton (Chirk-Gestüt), Mr. Edwards (Weston-Gestüt), Lord Kenyon (Gredington-Gestüt), Mrs. Mansfield (Rotherwood-Gestüt), Mrs. Cuff (Downland-Gestüt) und Lieutnant Colonel Edward Williams-Wynn (Coed Coch-Gestüt). (Diese Gestüte seien stellvertretend für viele andere genannt.) Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang eine kurze Geschichte erzählen, die in dieser oder ähnlicher Form sicherlich nicht vielen ausländischen Welsh-Begeisterten vergönnt war: Bei einer unserer Reisen kamen wir, nachdem wir schon einige Tage und viele Kilometer unterwegs gewesen waren und mehrere Gestüte besucht hatten, im Winter bei strömenden Regen auf das Coed Coch-Gestüt. Wir standen mit Lieutnant Colonel Edward Williams-Wynn, dem Leiter des Gestüts, auf einer der vielen Weiden, auf denen wir schon traumhafte Ponys gesehen hatten (damals ca. 300 Welsh-A- und B-Ponys) und waren völlig durchnässt. Wir wollten gerne einen Spitzenhengst kaufen, doch Williams-Wynn wollte keinen hergeben. Wir hatten bereits auf anderen Gestüten mehrere Hengste angeboten bekommen, aber noch nicht den richtigen gefunden. Nun waren wir ziemlich ratlos, da wir unsere ganze Hoffnung auf das Coed Coch-Gestüt gesetzt hatten. Irgendwie spürte Williams-Wynn wohl unsere Enttäuschung, denn plötzlich sagte er: “Ich habe es mir überlegt: Sie können ‘Coed Coch Gawain’ haben. Er ist zwar einer unserer liebsten Berwynfa-Söhne - schon deswegen, weil er so gutartig ist - aber ich kann mir ja einen neuen züchten.” Dann nannte er uns den Preis von 300 Pfund, der soweit unter den bisher genannten Preisvorstellungen anderer Züchter lag, dass wir vorsichtshalber noch einmal nachfragten und Gawain sofort kauften. Viel später, als Williams-Wynn und wir schon lange befreundet waren, erzählte er uns die Kaufgeschichte aus seiner Sicht - kurz und trocken, mit schalkhaften Augen, so wie ihn viele kannten: “Ihr wart so nass und enttäuscht, außerdem der lange Weg - was sollte ich machen? Da musste ich doch helfen!” Dies war der Anfang einer guten Freundschaft mit Lieutnant Colonel Edward Williams-Wynn, von dem wir zu Beginn unserer Zucht so traumhafte Ponys wie den oben erwähnten “Coed Coch Gawain”, “Coed Coch Gildas”, “Coed Coch Meryl II”, “Coed Coch Emma”, “Coed Coch Gwenda“, “Coed Coch Llywy” und “Coed Coch Llawrig” (Großmutter von “Mollegaards Spartacus”) erwerben konnten.
Auf unseren Reisen konnten wir die Vorfahren dieser und unserer späteren Ponys, wie zum Beispiel “Criban Victor”, “Coed Coch Berwynfa”, “Downland Chevalier”, “Chirk Caradoc”, “Chirk Crogan”, “Kirby Cane Gauntlet”, “Solway Master Bronze” und viele andere berühmte Welsh-B-Ponys, sehen und bewundern - Erlebnisse, die meine Frau und ich nicht missen möchten. Auch die Besuche der vielen Schauen halfen mir damals sehr, obwohl ich viele Dinge im englischen Schauwesen heute durchaus kritisch beurteile.
In den langen Jahren meiner Zuchtbemühungen musste ich allerdings immer wieder feststellen, dass bei unseren kleinen Beständen an Zuchttieren - selbst bei besten Kenntnissen der Blutlinien - vieles doch auf eine “Zufallszucht” hinausläuft. Wir haben einfach nicht genügend Zuchtmaterial, um mit drei oder vier Stutenherden und den dazu nötigen Hengsten kombinieren zu können. Aber auch mit unseren wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln können wir mit der nötigen Sorgfalt und einem klaren Ziel vor Augen - verbunden mit ein bisschen Glück - schöne und leistungsstarke Welsh-Ponys züchten.
Zurückblickend auf vier Jahrzehnte Moorkieker-Zucht kann ich feststellen, dass wir zu jeder Zeit wunderschöne Welsh-Ponys hatten, und vor allem in den letzten Jahren waren alle diese hocherfolgreichen Ponys von mir selbst gezüchtet. Unsere aktuellen Zuchtstuten sind alle Töchter des “Moorkieker Gawain” und damit entsprechend typvoll und bewegungsstark. Die Hengste unseres Stalles sind “Moorkieker Goethe” und “Moorkieker Gulliver”. Unser jetziger Pony-Bestand ist vor allem von dem “Downland Chevalier”-Sohn “Downland Goldflake” und der “Solway Master Bronze”- und “Coed Coch Berwynfa”-Enkelin “Belvoir Harebell” geprägt worden. An dieser Stelle könnte ich mit einer langatmigen Aufzählung all unserer Siege, Ehrungen, Medaillen usw. der letzten vier Jahrzehnte aufwarten. Doch da in den IG-Welsh-Jahrbüchern vergangener Jahre so manches davon nachzulesen ist, werde ich Sie in diesem Artikel nicht damit langweilen. Inzwischen sind Moorkieker-Welsh-Ponys nicht nur in Deutschland ein Begriff, denn selbst aus dem Mutterland der Welsh-Zucht habe ich nach jüngstem internationalen Erfolg Anfragen gehabt. Darauf bin ich besonders stolz und vielen Personen im In- und Ausland zu Dank verpflichtet, die durch ihre Ratschläge diese für mich so schöne Erfolgsgeschichte möglich gemacht haben.
Allen in Deutschland, Tschechien, der Slowakei, der Schweiz und Holland wünsche ich weiterhin viel Erfolg und erlebnisreiche Stunden mit ihren Moorkieker-Ponys. Der Welsh-Zucht in Deutschland wünsche ich für das nächste Jahrzehnt vorausschauende und in der Öffentlichkeitsarbeit erfolgreiche Repräsentanten.